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Interview Dr. Gero Leneweit / Britta Bischoff-Krappel (freie Mitarbeiterin Pforzheimer Zeitung) am 18. Mai 2019:


1. Was war der Schwerpunkt Ihrer Forschungsarbeit im vergangenen Jahr?
In den letzten 12 Monaten hatten wir 2 Forschungsschwerpunkte: erstens, die Entwicklung eines innovativen Verfahrens, mit dem wir tumorwirksame Arzneimittel biologischen Ursprungs durch eine Zubereitung in Liposomen zum Tumor bringen und dort freisetzen können. Zweitens haben wir begonnen, die Möglichkeiten der Ernährung als begleitende Unterstützung für die Krebstherapie in den Blick zu nehmen. Wir haben die immunstärkende Wirkung verschiedener Nahrungspflanzen untersucht, die helfen können, die Symptome der Erkrankung und die Nebenwirkungen der Therapie zu lindern.

2. Wie hat sich Ihre Forschungsarbeit im Vergleich zum Vorjahr weiterentwickelt?
Wir haben neue Kooperationsnetzwerke in Europa aufgebaut. Neben der Anwendung der Liposomen-Technologie für die zielgerichtete Verabreichung von Mistelpräparaten haben wir sehr gründlich analysiert, welche Therapie-Ansätze von unserer Liposomen-Technologie zusätzlich profitieren können. Wir haben ein sehr breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten gefunden, vor allem in der Krebstherapie, aber auch weit darüber hinaus. Insbesondere alle Therapien, die auf komplexen Wirkstoffen biologischen Ursprungs aufbauen, wie zum Beispiel RNA- oder Protein-Wirkstoffe, können von unserer Technologie enorm profitieren. Das kann den direkten Transport dieser Wirkstoffe zum Tumor betreffen, insbesondere zu Tumoren, die bisher nur sehr schwer und unzureichend zugänglich waren, wie Hirntumoren, wozu wir nun mit französischen Partnern kooperieren, um ein Arzneimitteltransportsystem zu entwickeln, das die Blut-Hirn-Schranke überwindet und neue Therapie-Möglichkeiten eröffnet. Aber auch Immuntherapien, bei denen das Immunsystem des Patienten trainiert wird, um die Antigene des Tumors besser zu erkennen und dann mit den körpereigenen Selbstheilungskräften den Tumor zu bekämpfen, erhalten durch unser Arzneimittel-Transportsystem neue Möglichkeiten, indem wir die Medikamente gezielt zu den wichtigen Immunorganen wie die Milz transportieren.

3. Welche konkreten Ergebnisse/neuen Erkenntnisse werden Sie und Ihr Team der Öffentlichkeit präsentieren, gerade im Vergleich zum Vorjahr?
Wir haben ein großes Forschungsprojekt mit 4 Partnern und 1,5 Mio. € EU-Förderung abgeschlossen. Hieraus sind sehr viele neue Ergebnisse und wissenschaftliche Publikationen in hochrangigen Zeitschriften entstanden, 4 in den letzten 12 Monaten. Diese konkreten Ergebnisse werden wir vorstellen. Sie zeigen zum einen Details unserer pharmazeutischen Technologie zur Herstellung von Liposomen, zum anderen die Einbindung von Mistelproteinen, aber auch RNA, in Liposomen und deren gezielte Freisetzung im Tumor, zum Beispiel durch eine lokale, kurzzeitige Hyperthermie. Hier wurden wissenschaftliche Durchbrüche und wegweisende Schritte für neue Therapiemöglichkeiten erzielt. Wesentlich für den Erfolg war die Zusammenarbeit mit den Universitäten Utrecht/Holland, Uppsala/Schweden und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

4. Wo stoßen Sie bei Ihrer Arbeit auf Grenzen/besondere Herausforderungen?
Die Forschung an neuen Krebstherapien braucht einen langen Atem. Die Geduld und notwendige Ausdauer sind oft eine Herausforderung, gerade für jüngere Forscher. An Grenzen sind wir zum Glück noch nicht gestoßen, wir können dankbar für das Erreichte sein und hoffen, dass wir die Forschungsergebnisse bald auch Patienten zukommen lassen können.

5. Was möchten Sie der Öffentlichkeit bei der diesjährigen Präsentation in besonderem Maße vermitteln?
Wir möchten zeigen, dass es auf dem Feld der pflanzlichen Arzneimittel spannende Innovationen gibt, die die Krebstherapien der Zukunft verbessern können. Und wir sehen ein großes Potenzial zur Selbsthilfe für Patienten insbesondere bei einer gesunden Ernährung, das für uns gesellschaftlich als Vorbeugung und Therapiebegleitung wichtig wird. Auch möchten wir zeigen, dass Europa in unserem Alltagsleben präsent ist und auch hier im Enzkreis durch Forschungsförderung wichtige Wege eröffnet hat, Menschen aus vielen Ländern durch Forschungskooperationen zusammenführt und kleinen oder mittelständischen Betrieben durch gezielte Impulse hilft – eine wichtige Botschaft aus dem Alltag, gerade auch vor der Europawahl.
Daneben trägt auch die Vernetzung in der Integrativen Onkologie weitere Früchte: In 2019 findet das 7. Symposium zur Misteltherapie statt, das von Dr. Rainer Scheer aus dem Carl Gustav Carus-Institut seit 24 Jahren organisiert wird und internationale Beachtung findet. Hier ist über die Jahrzehnte eine immer stärkere Zusammenarbeit zwischen Therapierichtungen und zwischen verschiedenen Berufsgruppen aufgebaut worden. Auch dies wollen wir allen Besuchern zeigen, da sich viele Patienten eine begleitende Behandlung in der Krebstherapie wünschen und ihren Arzt davon überzeugen möchten.

6. Inwieweit denken Sie, dass der Neubau sich positiv auf die Arbeit Ihres Instituts auswirken wird?
Wir freuen uns auf die verbesserten Arbeitsmöglichkeiten durch mehr Laborraum, effizientere Raumnutzung und eine Organisationsstruktur, die sich positiv auf die Teambildung auswirken wird. Derzeit sind Labore und Büroräume sehr weit voneinander entfernt. Auch die Zusammenarbeit mit unseren Partnern, der Klinik Öschelbronn und der ABNOBA GmbH, wird sich verändern. Insgesamt wird auf unserem Gelände in Öschelbronn zusammen mit dem Johanneshaus eine ganz neue Dynamik entstehen, auf die wir uns sehr freuen.

7. Wie viele Mitarbeiter*innen hat das Institut aktuell?
In der Forschung arbeiten bei uns aktuell intern 3 Wissenschaftler in Vollzeit und 2 in Teilzeit. Extern in Kooperationsprojekten mit den Universitäten Freiburg und Karlsruhe (KIT) promovieren 2 Wissenschaftlerinnen an den von uns entwickelten Forschungsfragen, eine dritte hat im April 2019 ihre Promotion an der Universität Utrecht erfolgreich abgeschlossen. Drei Praktikanten werden von uns im Labor ausgebildet, darunter eine Masterstudentin der Universität Straßburg. Wir haben 2 Teilzeitstellen in der Technik und 2 in der Verwaltung sowie 4 Ehrenamtliche, die mit hoher Expertise unseren wissenschaftlichen gemeinnützigen Aufsichtsrat bilden, der sehr viel Weitblick für die gesellschaftlichen Bedürfnisse entwickelt hat.

8. Welche Visionen/Wünsche haben Sie, die Arbeit Ihres Forschungsteams betreffend, für die Zukunft?
Wir hoffen, dass wir unsere Technologie-Entwicklung für die Krebstherapie in einem derzeit beantragten Forschungsprojekt mit einem großen europäischen Konsortium noch in diesem Jahr beginnen und in den nächsten 3 Jahren so weit vervollkommnen, dass danach klinische Studien geplant und durchgeführt werden können. Wir hoffen, dass wir unser Team damit mittelfristig in der Größe verdoppeln können.
Für die Möglichkeiten, durch eine gesunde Ernährung gezielt zur Vorbeugung von Krebs und anderer schwerwiegender Erkrankungen beizutragen, arbeiten wir an der Konzeption eines europäischen Forschungskonsortiums. Auch für die wissenschaftliche Weiterentwicklung der anthroposophischen Medizin und Pharmazie haben wir uns mit mehreren Partnern vernetzt.
Unsere Visionen haben sehr viel mit den Potentialen zu tun, die durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit entstehen, über nationale Grenzen hinweg, aber auch über kulturelle oder über Denkgewohnheiten hinweg, um der Selbstbestimmtheit des Menschen in Fragen der Gesundheit und Lebensqualität zu dienen.

 

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Carl Gustav Carus-Institut der Gesellschaft zur Förderung der Krebstherapie e. V. | Allmendstr. 55 - 75223 Niefern-Öschelbronn | Tel.: 07233 7043-101 | www.carus-institut.de